Metric Intensiv Project vom 15. bis 19. Februar 2023 in Leipzig

METRIC (Modernizing European Higher Music Education through Improvisation) ist ein Kooperationsnetzwerk mehrerer führender europäischer Musikhochschulen und der AEC (European Association of Conservatoires) mit dem Ziel, die Modernisierung der musikalischen Hochschulbildung durch intensive internationale Zusammenarbeit im Bereich der Improvisation zu fördern. Das METRIC IP 2023 wurde von der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ ausgerichtet und versammelte rund 30 Studenten und 20 Lehrkräfte mit unterschiedlichem Improvisationshintergrund, die gemeinsam in gemischten Ensembles arbeiteten und in den abendlichen Konzerten auftraten.


Die 15 Workshops fanden in verschieden Räumen in der Grassistraße statt und unternahmen den Versuch, ein möglichst breites Spektrum der Improvisation abzubilden: Arbeit mit Live Elektronik und computergesteuerten Prozessen, Anleitung zum Spiel in stilistischer/tonal gebundener Improvisation, spontanes ungebundenes Ensemblespiel oder Wahrnehmungs- und Klangforschung.

Vincent Lê Quang (Conservatoire de Paris) arbeitete mit Konzepten von Pierre Schaeffer, die sich mit dem Umgang vom Klang in der Musik und seiner Beziehung zur elektronischen Darstellung durch Lautsprecher beschäftigen, um die Improvisation in der instrumentalen und vokalen Praxis zu hinterfragen und herauszufordern.

Magda Mayas (Hochschule Luzern – Musik) stellte Methoden vor, wie Objekte und Präparate als multisensorische Werkzeuge in der Improvisation eingesetzt werden und über die persönliche Beziehung zum eigenen Instrument zum Ausgangspunkt für die Entwicklung, Erweiterung und Verinnerlichung instrumentaler Techniken für ein jeweils individuelles „Klangfarbenvokabular“
Technik und Architektur werden können.

Jeroen Malaise (Royal Conservatoire Antwerp)
belebte die Kunst des Präludiums des frühen 19. Jahrhundert als Ausgangspunkt für das Erlernen improvisatorischer Fertigkeiten wieder

Anto Pett (Estonian Academy of Music and Theatre)
entwickelte in freien Improvisationssitzungen Übungen zu allen Aspekten der Improvisation, um die persönliche technische Variabilität (Intervalle, Rhythmus, Harmonie, erweiterte Technik), emotionale Ausdrucksfähigkeit, Zeitwahrnehmung (Sinn für Formen), Aufmerksamkeit, Konzentration, Hörfähigkeit und Kommunikationsmöglichkeiten mit anderen Musikern zu entwickeln.

Anne-Liis Poll (Estonian Academy of Music and Theatre) demonstrierte mit ihrer Lehrmethode für Stimmimprovisation („Voice Games“), wie man Improvisationen mit der Stimme und die Stimme mit Improvisationen entwickeln kann.

Aaron Shorr (Royal Conservatoire Scotland) gab in seinem Workshop
„Kammerimprovisation – Wo bin ich“ Inspiration und Anleitung zum Finden der eigenen Linie beim freien Improvisieren und Erleben spontan entstehender Formen in Duos, Trios, Quartetten oder größeren Formationen.

Karst de Jong (Royal Conservatoire The Hague)
widmete sich in seinen Sessions der Schaffung und dem Paradoxon einer kollaborativen Improvisation mit vorgeplanten Elementen und außermusikalischen Verbindungen.
Bert Mooiman (Royal Conservatoire The Hague) beschäftigte sich mit historisch inspirierten Improvisationen in deren Mittelpunkt Präludien und Kadenzen, Verzierungen im Belcanto, und improvisatorisches Timing im Liedrepertoire standen. Das Ziel war das Entstehen neuer Musik unter Verwendung musikalischer ‚Sprachen‘ aus der Vergangenheit.

Libero Mureddu (Sibelius Academy of the University of the Arts) arbeitete mit Mentaler Imagination und algorithmischen Partituren, um verkörpertes Wissen im Verlauf einer freien Improvisation zu erforschen und zu erweitern. Dazu bedienter er sich einer selbst entwickelten Software, die selbstständig textuelle algorithmische Partituren zu erzeugt, die Aktionen auslösen sollen.

Alejandro Olarte (Sibelius Academy of the University of the Arts) untersuchte Paradigmen der Improvisation mit Maschinen und die sich daraus ergebenden Fragen: Was sind die Möglichkeiten des elektroakustischen Mediums und seine Beziehung zum Klang in einem improvisatorischen Kontext? Wird die Idee der Musikalität durch die Nutzung elektronischer und digitaler Geräte in in Frage gestellt, erweitert oder reduziert? Wie können die neuen Möglichkeiten genutzt und musikalisch verwertet werden?

David Dolan (Guildhall School of Music and Dance) stellte in seinem Unterricht
„Kreative Spontaneität und strukturelles Bewusstsein vereinen“ (Or how to combine business and pleasure…) die Entwicklung des aktiven Zuhörens und der Ausdrucksfreiheit bei gleichzeitigem Bewusstsein für Struktur und stilistische Sprache in den Mittelpunkt, um unabhängig vom eigenen Repertoire zu improvisieren und das Konzept der Improvisation auf die Aufführung von Konzertrepertoire anzuwenden.

Arnas Mikalkenas (Lithuanian Academy of Music and Theatre)
hielt ein Plädoyer für das Erschliessen neuer Quellen für die europäischen improvisierte Musik und mit kreative Prozessformen beim Lernen wie beim Improvisieren. Er stellte verschiedene Methoden zur Entwicklung improvisatorischer Fähigkeiten vor, die zusammen mit den Studenten im aktiven Gruppenspiel erkundet wurden.

Pedro Gonzales (Escola Superior de Música de Catalunya)
ging in seinem Workshop auf die Verwendung von Live-Elektronik, Sensoren und augmentierter Instrumente (traditionelle Instrumente, die mit Technologie modifiziert oder verbessert wurden) als Werkzeuge für die Improvisation ein und adaptierte verschiedene Improvisationsübungen (u.a. von Stanislavski), um sie für das Spiel klassischer Instrumente, der Erforschung neuer Klangwelten und zur Verbesserung improvisatorischer Fähigkeiten anzuwenden

Ives Senden (Royal Conservatory Antwerp) spürte möglichen Gefahren für die Improvisation nach: Wie hält man die Balance zwischen zu vielem Nachdenken, das spontanes, authentische Agieren blockiert und allzu unreflektiertem Spiel, das Struktur und Ausdruck der Improvisation schwächt?

Diego Kohn (Zürcher Hochschule der Künste)
unternahm den Versuch die Horizonte der musikalischen Praxis der Teilnehmer verschiedene Strategien zu erweitern, die die Teilnehmer motivieren, ihre Komfortzone zu verlassen. Improvisation als möglichen Weg in musikalischer Dekonstruktion war ebenso Teil des Experimentes wie das Erleben verschiedener Arten des Umgangs mit anderen und dem eigenen Instrument.

Von links nach rechts: Christian Windfeld, Jeroen Malaise, Pedro González Fernández, Yves Senden, Diego Kohn, Nicolas Delaigue, Bert Mooiman, Vincent Lê Quang, David Dolan, Anne-Liis Poll, Aaron Shorr, Magda Mayas, Karst de Jong, Anto Pett, Frank Liebscher, Libero Mureddu, Tilo Augsten, Alessandra Callegari, Sirkka-Liisa  Kärkkäinen

In den Nachmittagsstunden gab es die Möglichkeit themenbezogene Vorträge zu besuchen:
– Mihai Maniceanu – Nationale Universität für Musik Bukarest stellte Elemente und Klangbeispiele zeitgenössischer Kompositionen von A. Stroe und sich selbst – Jeroen Malaise- Antwerpen referierte über „Die Kunst des Präludierens“ als ideales Sprungbrett in den Bereich der tonalen Improvisation und – Bert Moimann (Den Haag Improvisation spürte der Improvisation als einem Aspekt des klassischen Musizierens von der Vergangenheit bis in die Gegenwart nach.

Jeden Abend fanden Konzerte mit spontan gebildeten Ensembles in freier Themenwahl statt, die nur durch ein Zeitlimit begrenzt wurden. Höhepunkt war zweifellos das Konzert im Grossen Saal am Freitag, das wie alle anderen Konzerte dokumentiert wurde und auf Instagram unter metric_network nachverfolgt werden kann.

In einer abschliessenden Gesprächrunde wurden erste Versuche unternommen,
das in den intensiven Tagen des Miteinanders Erlebte sachlich und emotional einzuordnen. Ein erstes Fazit: Für alle war es ein unverwechselbares Erlebnis von einzigartiger Schönheit, das im Jahr 2024 hoffentlich seine Fortsetzung in Antwerpen finden soll; zusätzlich zum regulären Programm ist ein internationaler Improvisationswettbewerb für alle Instrumente, alle Stilistiken und unterschiedliche Besetzungen vorgesehen.

Ein ganz herzliches Dankeschön geht an Dr. Ute Fries, Sebastian Clever, Dr. Frank Liebscher, Hessam Sadeghi, Eric Rohrbach und Alessandra Callegari vom AEC für die hervorragende Organisation und aufopferungsvolle Mithilfe!